„Mit den Siegeln, die Bio und Fair Trade ausweisen, wollen Firmen den Leuten doch nur das Geld aus der Tasche ziehen.“ „Alles nur Marketing“ und „vom Aufpreis landet doch sowieso nichts bei den kleinen Bauern.“ Solche Aussagen kommen Dir bekannt vor? Bestimmt.
Menschen setzen sich gerne kritisch mit Systemen auseinander, die Veränderungen forcieren. Haben Sie recht oder ist fairer Kaffee wirklich fair? Die stolzen 6,7 Prozent Kaffee, die 2019 fair in Deutschland gehandelt wurden, sprechen für das Konzept, zeigen jedoch auch, dass noch Potenzial nach oben besteht.
Im folgenden Text nehmen fairen Kaffee genauer unter die Lupe. Wir betrachten zudem, welche Ziele und Visionen mit dem Fair Trade Label verfolgt werden und warum sich die Entscheidung für faire Produkte lohnt.
Was bedeutet Fair Trade Kaffee?
Wenn Du Dich bereits genauer mit der Kaffeebranche befasst hast, dann weißt Du sicher, worauf das Wort „fair“ abzielt. Die Herkunft eines der weltweit größten Wirtschaftsgüter steht leider auch für schlechte Arbeitsbedingungen und umweltschädliche Anbaumethoden. Ein bitterer Beigeschmack für Menschen, die nicht nur genüsslich an ihrer täglichen Tasse nippen möchten, sondern sich als Konsument durchaus ihrer Verantwortung der Umwelt und den Menschen gegenüber bewusst sind.
So sieht die Bewirtschaftung von Kaffeefeldern aus.
Fair Trade zielt also darauf ab sicherzustellen, dass die Produktion sowie der Handel mit Rohstoffen Mindeststandards einhält, die sich auf die drei wesentlichen Säulen der Nachhaltigkeit stützt. Diese sind:
- Ökologische Auswirkung
- Ökonomische Auswirkung
- Soziale Auswirkung
Die Kriterien für ein Gütesiegel, das die faire Herstellung von Kaffee auszeichnet, können vielfältig sein. So werden häufig nicht nur bessere Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter auf den Plantagen vorausgesetzt, sondern auch Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Beispiele dafür sind der Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden oder auch der sparsame Umgang mit wertvollen Ressourcen, wie Wasser oder Energie.
Produzenten sollen durch Produkte, die „fair“ hergestellt werden, einen höheren und auch stabileren Preis erhalten und besser von ihrer Arbeit leben zu können. Im Gegenzug dazu bekommen die Konsumenten Kaffee, der frei von Pestiziden oder sonstigen Chemikalien ist.
Doch inwiefern können wir als Kaffeetrinker dabei wirklich etwas bewirken?
Ist Fair Trade Kaffee wirklich fair?
Wenn Probleme zu fern scheinen und keinen direkten Einfluss auf unser tägliches Leben haben, dann sinkt auch unser Verantwortungsgefühl. Dies ist eine grundsätzliche Herausforderung mit der wir Menschen seit jeher ringen. Dieses Phänomen lässt sich beim Klimawandel gleichermaßen beobachten, wie beim Konsumverhalten.
„Macht es wirklich einen Unterschied, wenn ich fair gehandelten Kaffee trinke?“
Tatsächlich kämpft die Auszeichnung für fairen Kaffee an zwei Fronten. Auf der einen Seite stehen die Idealvorstellungen des Begriffs „fair“, die wir Konsumenten haben. Auf der anderen Seite stehen die realen Bedingungen bei den Kleinbauern der Plantagen, für die jeder Cent zählt. Viele Konsumenten erwarten, dass der eine Euro, den Sie mehr für ihren fairen Kaffee bezahlen, auch vollständig beim Kleinbauern ankommt. Dem ist, was häufig zu Kritik führt, jedoch leider nicht so. Aber ist die Bemängelung wirklich gerechtfertigt?
Kritik oder falsche Vorstellung von Entwicklungsarbeit?
In der Realität ist eine „Verwässerung“ von Fördermitteln entlang der Lieferkette etwas ganz Natürliches. Viele Arbeitsschritte und Hilfsmittel verursachen Kosten. Zum Beispiel Schulungen von Plantagen-Mitarbeitern oder alternative Arbeitsmittel bei den Kleinbauern. Ebenso ist es mit garantierte Mindestpreisen, die Kaffeehändler bezahlen sollen, um den Bauern einen fairen Lohn zu gewähren. Das ist der Grund dafür, dass nur ein Teil des Preisaufschlags, den wir als Kunden bezahlen, an die Bauern weitergegeben werden kann. Für diese sind aber gerade die zusätzlichen Einnahmen durch Fair-Trade-Produkte ein wesentlicher Teil ihres Lebensunterhalts – und dass obwohl nicht der gesamte Mehr-Umsatz an sie weitergegeben wird.
Wir sollten also nicht zulassen, dass das Auseinanderdriften unsere Vorstellungen von einer perfekten Unterstützung der Kaffeebauern und dem, was tatsächlich am anderen Ende der Lieferkette herauskommt, unsere Hilfe abwertet.
Täglich werden 2,5 Milliarden Tassen Kaffee weltweit getrunken, eine gigantische Menge. Der deutsche Kaffee Verband schätzt, dass etwa 25 Millionen Menschen ihren Lebensunterhalt durch den Anbau von Kaffee verdienen. Wir können als Konsumenten also, entgegen der Kritik, enorm dazu beitragen, dass sich die Lebensbedingungen der Kleinbauern verbessert.
Fairer Kaffee schmeckt noch besser.
Wenn mehr Fairness die Lebens- und Arbeitsumstände nur einiger Bauern verbessert, hat sich unser Griff zu fair gehandeltem Kaffee längst gelohnt. Dass wir Konsumenten aber keiner Marketingkampagne auf den Leim gehen, sondern tatsächlich etwas durch die Wahl unserer Produkte verändern, dafür wünschen wir uns eine gewisse Garantie. Diese erhalten wir in der Regel über transparente Standards.
Wie werden diese Standards überprüft?
Alles steht und fällt mit dem Vertrauen in ein Siegel. Wenn auf der Verpackung ausgewiesen ist, dass wir mit dem Konsum unseres Lieblingsgetränks Mensch und Umwelt unterstützen, dann sollte dies auch stimmen.
Aus diesem Grund führen Vergabestellen von Siegeln unabhängige Kontrollorgane ein, die die Nachhaltigkeit und Fairness von Produkten prüfen. Bei der Vergabe des Fair-Trade-Siegels ist das Kontrollorgan die Zertifizierungsgesellschaft FLOCERT. Sie prüft regelmäßig und vor Ort die Einhaltung der festgelegten Standards, die von Fairtrade selbst herausgegebenen werden. Transparenz ist hier das höchste Ziel, weshalb die zugrundeliegenden Bedingungen jederzeit einsehbar sind. Im Folgenden findest Du einige von ihnen:
- Fairtrade-Standard für Kleinbauernorganisationen
- Fairtrade-Standard für lohnabhängig Beschäftigte
- Statement zum Pestizideinsatz unter Fairtrade-Bedingungen
- Fairtrade Händler-Standard
Geprüft werden beispielsweise, das Verbot von Kinderarbeit, demokratische Strukturen innerhalb von Organisationen oder geregelte Arbeitsbedingungen und die faire Entlohnung der Mitarbeiter.
Fairer Handel ist relativ gesehen mit viel Aufwand verbunden, dadurch drängt sich unweigerlich eine weitere Frage auf:
Würde „fairer Handel“ auch ohne Siegel funktionieren?
Grundsätzlich gibt es durchaus Produzenten und Händler, die darauf achten, dass entlang der Wertschöpfungskette nachhaltig agiert wird, auch, ohne dass sie die Kriterien eines Siegels erfüllen müssen. Als Konsument haben wir letztlich nur selten die Möglichkeit im Detail nachvollziehen zu können, ob das hinter den Kulissen auch wirklich so ist.
Selbst wenn Du Dein Gemüse auf dem Marktplatz kaufst, wo es der Bauer am Wochenende höchstpersönlich anbietet, kannst Du nicht wissen, welche Düngemittel in seiner Landwirtschaft eingesetzt werden. Noch viel intransparenter verhält es sich bei Kaffeeplantagen in meist fernen Ländern. Wir wissen kaum etwas über die Arbeitsbedingungen, die Preise, die ihre Abnehmer bezahlen und die allgemeine Nachhaltigkeit entlang der Lieferkette.
Genau hier sollen Zertifizierungsstellen durch die Vergabe von Gütesiegel Transparenz schaffen. Sie versuchen mit hohem Aufwand sicherzustellen, was wir als bewusste Kaffeeliebhaber uns wünschen: ein Produkt genießen zu können, das Mensch und Natur gegenüber fair gehandelt wurde. Deshalb ist ein Siegel auf Kaffee oder jeglichen anderen Fair Trade Produkten, unverzichtbar.
Fairer Kaffee ist eine Entscheidung, kein Kompromiss
Jedes neue System erfährt zunächst Gegenwind, birgt aber zugleich oft großes Potenzial für Verbesserungen. In dem von uns beschriebenen Fall für Mensch und Umwelt gleichermaßen.
Als Konsumenten haben wir es tagtäglich in der Hand, wie nachhaltig wir unseren Kaffeegenuss gestalten wollen. Es ist weder eine Frage des Geschmacks, der wie überall sonst auch von Hersteller zu Hersteller variieren kann, noch eine Frage des Preises. Selbst dieser kann bei nicht fair gehandeltem Kaffee gerne mal über dem des Fair Trade Produkts liegen. Es ist lediglich die simple Entscheidung, Genuss nicht auf Kosten der Produzenten zu erhalten, sondern zu deren Gunsten.
An den 6,7 Prozent des fair gehandelten Kaffees in Deutschland 2019 sehen wir, dass sich der faire Handel mit Lebensmitteln in einer positiven Aufwärtsspirale befindet. Glücklicherweise wissen wir alle, wie wir die positive Entwicklung weiterhin tatkräftig unterstützen können – mit einer weiteren Tasse köstlichem Fair-Trade-Kaffee.
Titelbild von Katya Austin. Weitere Bilder von Ilyuza Mingazowa und Tim Mossholder.
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